JCI-World Congress

Nach dem 02.11.08:

JCI-Weltkongress

Eine Herausforderung in den kommenden Tagen wird es sein, die Fahrpreise bei den Autorikschas auf einem vernünftigen Niveau zu halten. Der Fahrpreis zum Habitat-Center von Link Road 1 liegt mit Taxameter bei 17 Rupien, zum Ashok-Hotel, wo auch einige der Veranstaltungen stattfinden, bei 31 Rupien. Abhängig von der Tageszeit (Nachts: 100% Aufschlag), von meiner Kleidung (Krawatte 100%, Anzug 200% Aufpreis), vom Standort (Aufschlag vor dem Habitat-Center: 500%) zahle ich zwischen 17 und 150 Rupien (1 Euro=60 Rupien). Verlangt werden bis zu 3.000 – man kann es ja mal versuchen…

Abends stecke ich Sakko und Krawatte in den Rucksack, gehe 200 Meter vom Habitat Center weg und zahle dann meine 70 bis 100 Rupien, während die anderen unter 500 nicht wegkommen. Manch einer zahlt auch einen Tausender, ein US-Amerikaner auch 50 US-$. Kein Wunder, dass es für mich jeden Tag schwerer wird, für die Rückfahrt einen vernünftigen Preis auszuhandeln. Dabei kommt es mir auf 50 Rupien hin oder her nicht an, andererseits steht es mir nicht zu, die Preise in Neu-Delhi zu versauen.

Am letzten Abend verlasse ich das Tagungsgelände und muss feststellen, dass ich mir inzwischen unter Neu-Delhis Rikschafahrern einen Namen gemacht habe. Nach etwa 200 Metern treffe ich mehrere Rikscha-Fahrer, die auf Kunden warten. Wo ich denn hin wolle? "1, Link Road". Antwort: "1, Link Road? Oh no Sir, you don't pay enough!"

Nicht immer finde ich eine Rikscha und gehe dann zu Fuß durch eine Gegend, die nicht gerade zu den besten der Stadt gehört. Unsicher oder gar gefährdet fühle ich mich trotzdem nicht. Nur beim allerersten Mal habe ich mich etwas erschrocken, als über 50 beinamputierte Männer auf Brettern mit Rädern (so wie ein Skateboard), auf mich zukommen, die sich mithilfe ihrer Hände weiterbewegen. Immer wenn ich zu Fuß gehe, begleiten die mich ein paar hundert Meter, wir unterhalten uns, ich bin schon fast so etwas wie ein alter Bekannter.  

Die Weltkonferenz der Wirtschaftsjunioren leidet darunter, dass die Veranstaltungsorte recht weit verstreut liegen, die Logistik eklatante Mängel aufweist und die bürokratischen Hürden sehr hoch sind. So muss ich z.B. meinen Essensgutschein für das Mittagessen bereits am Vortag gegen einen Voucher eintauschen, der nur für den Ort gültig ist, wo ich den Gutschein eingelöst habe. Den Voucher erhalte ich auch nur dort, wo ich Essen will. Diese Regelung wird sich im Laufe der Tage aufweichen, weil nicht realisierbar.

Ein paar Highlights der Veranstaltung:

Zur Eröffnungs-Zeremonie muss man zwar zwei Stunden mit dem Bus fahren (unser Fahrer kannte den Weg nicht und musste öfter mal halten und fragen, wie er zur Expo 21 kommt). Im Saal ist es eiskalt, der Einzug der nationalen Vorstände aus über 120 Nationen ist aber schon faszinierend, vor allem aus der Area A, also aus Afrika, von denen die meisten in Landestracht auf die Bühne kommen. Empfang und Essen im großen Hof entschädigen aber für vieles. Klassisch indisches Ambiente, eine lauwarme Winternacht (wir sind in Indien!), gutes Essen, fröhliche Menschen.

Während ich mit einigen anderen Gästen aus der ganzen Welt Small Talk betreibe, kommt eine Gruppe Inder aus Kerala an unseren Bistrotisch, packt zwei Flaschen indischen Whisky aus und schenkt uns fleißig ein. Flüssige Völkerverständigung sozusagen. Heute bekomme ich meine ersten 20 Visitenkarten. Mittlerweile bin ich bei 110 angelangt, davon wohl über 80 von Indern.

Irgendwie ziehe ich die Kerala-Boys magisch an. Keine Nacht vergeht, in der ich mich nicht in deren illustren Runde wiederfinde, gut bestückt mit indischem Whiskey.

Peter Handal, CEO von Dale Carnegie, hält einen Grundsatzvortrag, zahlreiche JCI-Vizepräsidenten werden gewählt, die Welt- Debattier- Championships gehen ebenso über die Bühne wie die Public Speaking Championships (erstere in der XXL-Tiefkühltruhe des Hotels). Wow, die Leute haben etwas drauf. Bei der nicht ganz so Ernst gemeinten Debatte, der ich beigewohnt habe, sollten indische Vertreter dafür eintreten, dass der ganze indische Verkehr mit Elefanten abgewickelt werden soll und das britische Team für eine Abschaffung der Elefanten im Straßenverkehr plädieren. 

Abends finden immer von einem Land gesponserte Treffen statt. So am Mittwoch die Korea-Night und die Bangladesh-Night. Das Problem: 3.500 Teilnehmer zählt die Konferenz, nur gut 1.000 kommen hier unter. Chaos pur. Unter Einsatz unseres Lebens ergattern wir zu dritt 12 Flaschen Bier für die deutsche Delegation. An etwas zu Essen ist nicht zu denken. Wir kommen nicht mal in die Nähe des Buffets, zumindest, solange es dort noch etwas zu essen gibt. Wesentlich weniger los ist bei der Bangladesh-Night. Könnte damit zu tun haben, dass für 500 Menschen nur ein Tablett Essen zur Verfügung steht. Na ja, in Bangladesch reicht das wahrscheinlich locker...

Deutlich mehr Platz ist am Donnerstag bei der Obama-Night, äh pardon, US-Night. Hier unterhalte ich mich mit einer Carolin. Bei einem genaueren Blick auf ihr Namensschild lese ich auch ihren Nachnamen, der immer ganz klein auf unseren Namensschildern vermerkt ist. Auf meine Frage, ob sie denn etwas mit einem Kulmbacher Adelsgeschlechts zu tun habe, stellt sich raus, dass es sich um die Tochter des Grafen handelt, die heute in NRW lebt. Und Erich zu meiner Rechten, der ein Ingenieurbüro im Oberbayerischen betreibt, kommt eigentlich aus Trebgast. Plötzlich benötigen die Norddeutschen, die um uns herum stehen, einen Dolmetscher.

Ansonsten ist Multikulti angesagt, Small Talk mit Tunesiern, Russen, Schweizern, Holländerinnen, Monegassinnen, Indern, Kanadiern, Mexikanerinnen…

Ein Besuch bei der Deutschen Botschaft steht ebenfalls auf dem Programm. Bei entspannter Atmosphäre stehen beim Empfang livrierte Ober bereit, mit Wein und anderen Getränken sowie mit zahlreichen kleinen Leckereien. Lecker! Die deutschen Junioren haben außerdem noch einige internationale Gäste eingeladen, meist Vorstände anderer Landesverbände, die Botschaft hat außerdem Mitglieder der deutschen Gemeinde in Delhi eingeladen. So ergeben sich mit einem Vertreter von Fraport, die sich am Ausbau verschiedener Flughäfen im Land engagieren, und mit einem Vertreter von Nokia, die ein Center hochgezogen haben, um weltweit Angebote zu erstellen, hochinteressante Gespräche.

Spannend der Besuch bei der deutsch-indischen Außenhandelskammer. Ein Blick auf den Stadtplan zeigt mir, dass die AHK keine fünf Gehminuten vom Hinterausgang des Ashok-Hotels entfernt ist, wo ich vorher eine Veranstaltung hatte. So ist es auch. Die letzten 40 Teilnehmer kommen eine halbe Stunde verspätet, weil sie mit dem Bus über eine Stunde vom Hotel zur AHK benötigt haben. Erst Stau, dann hat der Fahrer die AHK nicht gefunden. Hier gibt es einen hoch informativen Vortrag des AHK-Hauptgeschäftsführers und leckere Laugenbrezen. Nach drei Wochen indischen Essens sind die so richtig gut!

 

07.11.08:

Von kleinen Mädchen und heiligen Kühen

Zum Abschluss noch eine Begebenheit zum Schmunzeln: In einer Pause lasse ich mich von einem Rikscha-Fahrer zu einem Markt fahren. Brauche ein paar CDs für Sicherheitskopien meiner Fotos. Nachdem er es nicht schafft, auf die andere Straßenseite zu kommen, lässt er mich auf der "falschen" Seite raus. Habe offenbar zu hart um den Preis verhandelt. Gut, irgendwie komme ich schon über die 12-spurige Straße, zumal in der Mitte eine 20 cm breite Verkehrsinsel ist. Bis zu diesem Raumteiler komme ich noch irgendwie. Aber weiter geht es ums Verrecken nicht. Bei Schuhgröße 46 können 20 cm verdammt klein sein!

Plötzlich piepst eine Stimme neben mir "One Rupie please. Sir, one Rupie please." Ich rufe mich zur Räson: Hier ist nicht der richtige Zeitpunkt für Halluzinationen. Plötzlich zupft etwas an meiner Hose. Doch keine Halluzinationen, da steht doch tatsächlich ein 7 bis 8 Jahre altes Mädchen neben mir mit einem kleinen Geschwisterchen am Arm. Ein sehr geschäftstüchtiges und schlaues junges Mädchen. Es nimmt meine Hand, zieht mich auf die Straße, nutzt die dort stehende heilige Kuh als Prellbock und bringt mich "alten" Mann sicher auf die andere Straßenseite. Die hat sich ihre Rupien verdient!

Nicht zuletzt aufgrund dieser Begebenheit bin ich recht optimistisch, wie es mit Indien weitergeht, trotz einer praktisch handlungsunfähigen Regierung, dem Gegensatz verschiedener Religionen, den Hemmnissen des Kastenwesens, dem allgegenwärtigen Schmutz, der unglaublichen Umweltbelastungen, der hohen Analphabetenquote und der allgegenwärtigen Armut. Die Inder sind ideenreich, wie sie Geld verdienen können und sind auch bereit, sich hochzuarbeiten. Viele Seiten haben mir bestätigt, dass sich gerade in den vergangenen 10 Jahren wahnsinnig viel getan hat, auch wenn insbesondere das flache Land vielfach noch weit zurückgeblieben ist. Dieses Mädchen repräsentiert für mich den Willen der Inder, sich ihren Platz in der Welt zu sichern – trotz aller Hemmnisse.